Der Alpinist:
Georg Roggenhofer war ein zuverlässiger Bergführer in den Allgäuer Alpen. Dort gab es wohl keinen Winkel, den er nicht kannte. Mit seinen detaillierten Tourenbeschreibungen machte er sich einen Namen. Diese wurden regelmäßig in den Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins veröffentlicht und dienten tausenden Bergfreunden als Grundlage für Wanderungen und Bergbesteigungen.
Auf seinen Touren immer dabei waren die schweren, genagelten Bergschuhe – angesichts des zusätzlichen Gewichts der damaligen Kleidung eine körperliche Höchstleistung. In den Rucksack gehörten neben Proviant und Getränk auch Notizbuch und Stifte, nicht zu vergessen, Seil und Alpinstange.
Der Panoramazeichner:
Der Begriff „Panorama“ wurde von einem Gelehrten aus zwei altgriechischen Worten zusammen-
gesetzt: pan = alles und (h)orama = das Geschaute –
also Allschau oder Rundsicht.
Ergänzend zu seinen Artikeln in alpinen Fachzeitschriften und der Lokalpresse fertigte Georg Roggenhofer unzählige Panoramazeichnungen der herrlichen Alpenkette zum Mitnehmen im Rucksack an – mehrere Meter lang und ergänzt durch Faltpanoramen. Jedes Detail wurde von dem geübten Zeichner festgehalten. Rundpanoramen, zum Beispiel von der „Schlicke“, ermöglichten es dem Bergsteiger, die vielen Gipfel und ihre Namen zu erkennen. Seine Panoramen wurden vielfach ausgestellt und von zahlreichen Betrachtern bewundert.
Der Färber und Stoffdrucker:
Färbermeister waren Fachleute mit einer spezialisierten Ausbildung in Textil- und Färbetechnik. Neben der Theorie waren praktische Erfahrungen mit Färbeprozessen und Kenntnisse über die verschiedenen Textilarten und Farbstoffe von entscheidender Bedeutung. Ein Beruf, der Fachwissen mit künstlerischen Fähigkeiten verband.
Für den Stoffdruck wurden anfänglich reine Holz-Model verwendet. Allerdings gab es hier oftmals Probleme mit den dickflüssigen Farben aus Leim oder Firnis. Diese zogen kaum in das Gewebe ein und fühlten sich meist hart an. Zudem wurden die Farben mit der Zeit stumpf und brüchig, da die Verdünnungsmittel fehlten. Erst mit Hilfe von Metallstiften wurde es möglich, feinere Muster mit geringerem Farbauftrag herzustellen.
Viele Druckstöcke, die sogenannten „Model“, sind erhalten geblieben und noch heute im Obergünzburger Heimatmuseum zu sehen.
Roggenhofer verdiente seinen Lebensunterhalt als letzter Färber und Stoffdrucker in seinem Geburtsort und führte die Färberei seiner Familie in der
vierten Generation. Sein Wohnhaus „An der Färbe 1“
war ein bedeutendes, imposantes, historisches Gebäude im Markt Obergünzburg. In den langen Gängen des Obergeschosses wurden Stoffbahnen und Tücher getrocknet. Früher wurden nur Leinenstoffe, später auch Baumwollstoffe zum Färben und Bedrucken verwendet. Leider fiel die „Färbe“, dieses große, stattliche und mit viel Holz erbaute Gebäude, 1998 einem Großbrand zum Opfer.
Der Mensch:
Georg Roggenhofer wurde am 22. Juli 1859 als Sohn des Färbers Jakob (1817–1884) und dessen Frau Theresia (1826–1906) in Obergünzburg geboren und starb am 7. März 1924. Der Obergünzburger Heimatforscher Herbert Kößler beschreibt ihn so: „Wenn immer die Sprache auf seine geliebten Heimatberge kam, ist dem sonst so stillen und oft wortkargen Georg Roggenhofer das Herz aufgegangen; da begann er zu erzählen von dem Schönen und dem Interessanten, das er gesehen hat. Es war wohl der wunderbare Blick auf die Alpenkette, wie ihn die Höhen bei Obergünzburg gewähren, der in ihm den Gedanken auftauchen ließ, dieses Panorama mit dem Stift festzuhalten. Er war kein Fachmann, hatte wenig Berührung mit wissenschaftlichen Kreisen, dennoch weisen seine Aufnahmen Sicherheit, Plastizität der Zeichnung und vor allem Verlässlichkeit der Bestimmungen der Berggipfel auf. Er war stets daran zu verbessern und zu vervollkommnen. Selbst als sein Augenlicht nachließ und ihm die Zeichenarbeit erschwerte, sollte die Neuauflage seiner Panoramen größtmögliche Verlässlichkeit bieten. Einfach und schlicht uneigennützig war er bis in seine letzten Tage der Sache der Heimat- und Bergfreunde verbunden.“
Im Jahresbericht der Sektions-Hauptversammlung vom 16. Dezember 1924 in Füssen heißt es: „Bei den Toten des Jahres 1924 darf ich auch eines Mannes nicht vergessen, der zwar nicht Mitglied unserer Sektion war, aber doch seit Jahrzehnten als ihr guter Freund galt und ihr mit regem Interesse zugetan war. Es ist dies Herr Georg Roggenhofer, Färbermeister aus Obergünzburg, der still und anspruchslos, wie er gelebt, im März 1924 verschied. Der Verstorbene, der ein begeisterter Bergsteiger und Naturfreund der alten Schule war, verfasste viele Aufsätze über unsere Arbeitsgebiete, er war Mitarbeiter von Grubers Führer von Füssen und Umgebung und insbesondere Schöpfer prächtiger Rundsichten von Säuling, Schlicke und Thaneller. Berg Heil!“ Andreas Sollner, 1. Vorstand.
Ein zuverlässiger Erklärer der unzähligen Berggipfel ist vor 100 Jahren gestorben.
Karl Fleschutz, Arbeitskreis Heimatkunde Obergünzburg
Bild:
Georg Roggenhofer
Bild:
Repro Karl Fleschutz
Panorama vom Hohen Licht von Georg Roggenhofer
Bild:
Repro Karl Fleschutz
Eine der seltenen Aufnahmen von Georg Roggenhofer bei der Aufzeichnung von Notizen, im Hintergrund unscharf eine Bergkette.